Das Auge isst mit, und das Gehirn macht Appetit. Eine interessante Backstory hat mich schon auf so manchen Whiskey, Wein, Käse neugierig gemacht. Oder eben - auf Tee. Das Problem bei dieser Form der Appetitanregerei ist, dass fast zwangsläufig eine Erwartungshaltung entsteht, die gar nicht erfüllt werden kann.

Käse in uralten Gebirgshöhlen gereift - wow! *Käse-aufmach-geräusch* Ähm ... schmeckt wie Käse ...

Ich persönlich hatte mir hier etwas mehr versprochen, aber das kann natürlich auch einzig und allein an meinen fehlgeleiteten Neuronen und durchgeknallten Synapsen liegen. Und ein guter Tee ist es allemal, wie übrigens alle hier. Dafür leg ich meine Höhlenkäsefüße ins Feuer!

Nach dutzenden und aberdutzenden Tees und dem einen oder anderen Treffer (zeitweise war der Tamaryokucha Gold mein Favorit, hat aber in den letzten Jahren nachgelassen) bin ich zunächst per Zufall über den Momiji gestolpert.

In der Verpackung kommt er schlicht und unpretentiös daher. Und dann öffnet man das Paket und schon der erste Duft lässt einen sprachlos zurück. Eine schwere Süße ("Campino-Bonbon", wie ein guter Freund mal treffend ermittelt hat) umweht die von der Nacht noch müden Riechzellen und beginnt, den daran angeschlossenen, müden Kopf freizumachen.

Hier kommen wir zum eigentlichen Diamantkern dieses Tees. Während andere Tees ähnlich fantastisch schmecken mögen... der Momiji /wirkt/. Selbst harten Nächten mit wenigen Stunden Schlaf ist er gewachsen. Wer die Probleme mit der groben Anwendung von Koffein als Antwort auf Schlafmangel kennt (und dessen unschöne Nebenwirkungen) - hier ist das Wundermittel. Ein oder zwei Schalen konzentrierter Momiji und die leergepumpten Synapsen sind wieder arbeitsbereit, eine gelassene Ruhe macht sich breit und die nun weniger müden Augen finden wieder einen Fokus. Was auch immer in der Hirnchemie durch mentale Anstrengung leergemacht wird - dieser Tank wird hier wieder aufgefüllt.

Für gewöhnlich trinke ich meinen Tee kalt aufgesetzt - über Nacht etwa 6 Stunden in Wasser im Kühlschrank gelassen und morgens mit einer French Press extrahiert. Hier habe ich über längere Zeit ein recht sicheres Maß mit verschiedenen Sorten Tee erarbeitet (etwa 15g auf 1/2l). Was den Momiji absetzt - die Dosis lässt sich mühelos steigern. Wo andere Tees bei höherer "Konzentration" selbst bei dieser schonenden Kaltaufguss-Variante anfangen bitter zu werden legt der Momiji immer neue, faszinierende Geschmacksnuancen an den Tag. Mehr schmeckt nach "mehr". Und die "Wirkung" skaliert mit.

Für mich schon lange mehr als nur ein Tee. Der Momiji ist eine Institution. Der finale Tee.

Und das für den Preis! Absoluter Diebstahl. Ich habe bisher nicht einen anderen Tee getrunken - auch keinen Gyokuru-Boliden zum 10-fachen Preis - der vergleichbar ist. Ich muss mich häufig davor zurückhalten, Jahresvorräte zu bestellen - nur um sicher zu gehen, dass auch sicher in den nächsten 36 Monaten immer Momiji im Haus verfügbar ist.

Ich würde nach Japan reisen nur um allen Menschen die für dieses Meisterwerk der bescheidenen Brillianz verantwortlich sind demütig vor die Füße zu fallen.